„Das Himmelstor ist offen“. Über Schweres und Schönes, über Weinen und Lachen im St. Barbara Hospiz

Sehr eindrucksvoll war der Vortrag und des Gespräch mit DGKP Rosemarie Kapplmüller, Leiterin des St. Barbara Hospiz Linz, am 12. Oktober 2021 am St. Barbara Friedhof. Gemäß dem Motto „Dem Tag mehr Leben geben, nicht dem Leben mehr Tage“ - ein Zitat von Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizbewegung – berichtete die Akademische Expertin für Palliative Care über Schweres und Schönes, über Weinen und Lachen.

Den St. Barbara Friedhof und das St. Barbara Hospiz verbindet die namensgebende Hl. Barbara. Diese Heilige ist u.a. für den Beistand für Sterbenden zuständig, näherhin für das, was vor dem Tod offen ist.

Palliativmedizin und Hospiz

Rosemarie Kapplmüller erklärte den Unterschied zwischen einem Hospiz und einer Palliativstation. Beide Einrichtungen wenden sich an schwerkranke und sterbende Menschen.
Palliativmedizin möchte schwerkranken Menschen Schutz und medizinische Unterstützung geben. Palliativstationen sind medizinische Stationen in Krankenhäusern, der Begriff „austherapiert“ ist laut der Expertin nicht ganz richtig: Es geht in der letzten Lebensphase um die Linderung von Symptomen wie Schmerzen, Übelkeit oder Luftnot – und um die Ermöglichung von Beziehung.

Palliativstationen haben das Ziel die Symptome zu lindern und den Menschen zu ermöglichen, nach Hause gehen. Jedoch versterben auch 50 – 70% der Patient*innen auf der Palliativstation.
Wenn der Zustand eines/einer Patient*in stabil ist, aber eine Pflege zu Hause oder in einem Pflegeheim nicht machbar ist, dann gibt es die Möglichkeit, dass der schwerkranke Mensch seine letzte Lebenszeit in einem Hospiz verbringt. Ein Hospiz gibt Menschen in gastfreundlicher Weise Heimat. Der Begriff wird nicht nur für Herbergen für schwerkranke Menschen verwendet, sondern auch für Gaststätten für Pilgernde oder Unterkünfte für Flüchtende in Kriegen.

Das erste stationäre Hospiz

Das St. Barbara Hospiz ist das erste stationäre Hospiz in Linz. Es besteht seit 5 Jahren und konnte im Juni dieses Jahres die neuen Räumlichkeiten in der Harrachstraße beziehen. Dort stehen 10 Hospizplätze zur Verfügung. Es gibt ein Wohnzimmer, eine Dachterasse und einen Raum der Stille. Ein Team, speziell ausgebildet, schöpft alle Möglichkeiten aus, Leiden zu lindern und die letzte Zeit mit Leben zu füllen: Pflege, Medizin, Sozialpädagogik, Seelsorge, Psychologie und Physiotherapie. Wichtig ist die Mitarbeit von Ehrenamtlichen, die auch für Ihre Tätigkeit im Hospiz ausgebildet sind.

Die Aufenthaltsdauer der Patient*innen betrug im Jahr 2020 durchschnittlich 33 Tage. Individuell ist es sehr unterschiedlich: von zwei Tage bis zu fast einem Jahr. Ein Großteil der Patient*innen leiden unter Krebserkrankungen.

Das St. Barbara Hospiz wird von den Elisabethinen Linz-Wien, den Barmherzigen Brüdern Linz, der Vinzenz Gruppe und dem Roten Kreuz getragen.

Offene Türen für alles, was Sterbenden gut tut

„Es wird versucht so gut zu leben, wie es geht“, erläutert Rosemarie Kapplmüller das Ziel des Hospizes. Sie hat einen realistischen Blick: „Vieles ist nicht möglich. Aber das was noch möglich ist, ist gut: manchmal ist der Tag gut, weil er ohne Übelkeit ist und manchmal ist es gut, wenn man den Botanischen Garten besuchen kann“.

Kinder sollte man, so die Expertin, immer teilhaben lassen, wenn ein nahestehender Mensch schwerkrank ist und stirbt. Kinder können viel aushalten und die Wahrheit ist besser als irgendwelche Phantasien. Wichtig ist es, Fragen kindgerecht zu beantworten und beispielsweise nicht von „Einschlafen“, sondern vom Versterben zu sprechen. Rosemarie Kapplmüller sagt: „Wenn man mit dem Herz dabei ist, kann man nicht so viel falsch machen bei Kindern. Das Kind darf auch draußen bleiben. Aber es darf auch am Bett sitzen“.

Auch Tiere sind im Hospiz willkommen. Das Verabschieden von einem geliebten Haustier ist für Sterbende wichtig.

Rituale verdichten

Wenn ein Mensch verstorben ist, dann steht vor diesem Zimmer im St. Barbara Hospiz steht ein Licht. Rosemarie Kapplmüller ist das wichtig: „Sterben ist nicht Alltag. Auch nicht im Hospiz“.

Gesprächsangebote der Seelsorger*innen und Psycholog*innen helfen ebenso wie Ritualangebote. Wer religiös ist, kann die Krankensalbung oder einen Sterbesegen empfangen. Kirchenfernen helfen gemeinsame Feste und Feiern. Allerheiligen, das jetzt bevorsteht, tut den Menschen gut.

„Rituale machen ein Thema ganz dicht. Da ist auch der Schmerz dann ganz dicht – durchs Verdichten kann er sich mit der Zeit wieder auflösen“, erklärt Rosemarie Kapplmüller die Bedeutung von Ritualen. Das betrifft die schwerkranken Menschen genauso wie ihre An- und Zugehörigen. Für diese ist es auch wichtig, entscheiden und

mitgestalten zu können, was mit dem/der Verstorbenen passiert. Das Abschiednehmen vom Leichnam ist gut für die Trauerarbeit.

Sterben begleiten

Manchmal geht das Sterben so schnell, dass man nicht mitkommt, erzählt die Leiterin des St. Barbara Hospiz: „Wir sagen dann ‚Das Himmelstor ist offen‘. Manche sterben bemerkbar, manche leise. Manche wollen im letzten Moment jemand bei sich haben, manche wollen allein sein“.

Sterbende machen die gleichen Phasen durch wie Trauernde: Wut, Verdrängung, Depression und – im besten Fall - Annehmen und Versöhnen. Diese Phasen sind wechselnd und kreisend.

Ins Hospiz zu kommen ist wie eine Weggabelung, denn sie wissen: „Jetzt geht es nicht mehr heim“. Es dauert manchmal bis Entspannung kommt, bis ein Annehmen der Situation nicht nur im Kopf, auch als Ganzes passiert. Rosemarie Kapplmüller ist zuversichtlich, dass Versöhnung auch in der letzten Minute möglich ist. Ihre Erfahrung aus vielen Sterbesituationen: „Es liegt etwas in der Luft, was versöhnt wirkt“. Sie wendet aber ein, dass es bei einer Krankheit, wo es nicht von einem Tag auf den anderen aus ist, vielleicht einfacher ist als bei einem Unfall.

Psychohygiene ist wichtig für die Mitarbeitenden

Pflegende und andere Mitarbeiter*innen im Hospiz sind sich der Endlichkeit des Lebens bewusst. Für Rosemarie Kapplmüller ist dieses Bewusstsein über die Endlichkeit ein Geschenk. Als Krankenschwester im Hospiz zu arbeiten bedeutet für Patient*innen, An- und Zugehörige mehr Zeit zu haben und Beziehung pflegen zu können. „Es ist eine schöne Aufgabe, welche einen selbst gut tut: da sein für die Menschen“.

Doch es ist am Ende eines Arbeitstages auch gut, nach Hause gehen zu können. „Die Dienstkleidung ist die Grenze“. Ein wichtiger Schutzfaktor für die Tätigkeit mit sterbenden Menschen ist der Austausch im Team, das gemeinsame Frühstück der Mitarbeiter*innen und die Supervision. Rituale helfen ebenso wie ein bewusster Ausgleich zu Arbeit im Privaten wie Bewegung, Naturerleben oder Zeit mit der eigenen Familie. Auch An- und Zugehörige werden im Hospiz nach ihren Kraftquellen gefragt.

Ausbau von Hospiz- und Palliativangeboten ist ein Gebot der Stunde

In Oberösterreich wird es in den nächsten Jahren mehr Hospizbetten gaben. Palliativbetten werden auch in Peripherie ausgebaut. In Ried im Innkreis entsteht ein neues stationäres Hospiz. Diesen Ausbau begrüßt Rosemarie Kapplmüller und zitiert neuerlich Cicerly Saunders: „Jeder Mensch muss würdevoll sterben können!“.

Ab 2022 gibt es in Österreich ein neues Gesetz zum assistierten Suizid. Unabhängig davon wie man zu dieser neuen Regelung steht, spricht sich Rosemarie Kapplmüller dafür aus, dass es österreichweit genug Einrichtungen gibt, wo Menschen in der letzten Lebensphase gut unterstützt werden: „Sehr oft hilft Schwerkranken das Wissen, dass man gut versorgt wird, dass Suizid nicht mehr so sehr Thema ist. Niemand darf alleine gelassen werden bei Schmerz, Übelkeit, Luftnot, Angst und existentieller Not. In keinen Land!“.

Fotos:  Clemens Frauscher.